Frau Signer, Sie haben 2011 die Weiterbildung zur Exportfachfrau (heute Aussenhandelsfachfrau) mit eidg. Fachausweis abgeschlossen. Was ist Ihnen von der Weiterbildung am meisten in Erinnerung geblieben?
In meinem Arbeitsalltag kommen mir immer mal wieder Anekdoten verschiedener Referenten in den Sinn, die als Eselsbrücken dienen. Speziell die folgende Aussage eines Referenten ist mir geblieben: „Man muss nicht alles auswendig wissen. Aber man muss wissen, wo man es finden kann.“Die Ausbildung im Ganzen hat mir sicherlich noch ein tieferes sowie erweitertes Grundwissen für meine Arbeit im Export und Import vermittelt. Zudem habe ich an der spannenden Studienreise 2010 nach Singapur teilgenommen. Auch freut es mich, dass ich aus dieser Zeit eine sehr tolle Freundschaft mitnehmen konnte.
Seit Juli 2016 arbeiten Sie als „Expat“ in den USA. Erzählen Sie doch, wo Sie arbeiten, wie es zu Ihrer Versetzung kam und welche Aufgabe Sie in Chicago haben.
Ich arbeite für die swissQprint AG im st. gallischen Rheintal, welche High-End UV Inkjet-Systeme herstellt. Diese Firma ist vor 10 Jahren aus einem Management-Buyout der Zünd Systemtechnik AG entstanden. Vor 12 Jahren habe ich meine KV-Lehre bei Zünd abgeschlossen und kenne somit einige der Mitarbeiter sowie die drei Inhaber, welche 2007 die swissQprint geründet haben. Ende 2015 hat sich die swissQprint entschieden, eine Niederlassung in den USA zu gründen. Über meine ehemalige Oberstiftin, die dort seit einigen Jahren im HR tätig ist, wurde ich mit ins Boot geholt. Nach einem kurzen Training im Juni ging es im Juli 2016 dann als Expat in die USA, genauer nach Elgin, Illinois, ein Vorort von Chicago.
Die ersten Monate waren sehr streng. Man muss sich vorstellen, dass wir in ein leeres Gebäude eingezogen sind, welches noch nicht ganz fertig umgebaut war. Die ganze Infrastruktur musste zuerst von uns Expats und unseren amerikanischen Mitarbeitern aufgebaut werden. Man fängt mal an sich zu überlegen, was man in einem Büro und in einem Lager überhaupt so braucht, von der Büroklammer bis hin zum Handhubwagen. Handwerklich betätigen mussten wir uns natürlich auch z.B. beim Aufbau von Gestellen für das Ersatzteil-Lager oder Büromöbeln.
Gleichzeitig muss man natürlich auch ein Privatleben aufbauen. Wir waren frei in der Wohnungswahl. Im neuen Heim sollte man sich ja auch wohl fühlen, wenn man plant einige Jahre darin zu bleiben. Herauszufinden wie der Hase hier läuft mit Gas, Wasser, Elektrizität und Internet gestaltete sich im Nachhinein schwieriger als gedacht – glücklicherweise ist meine Vermietungsgesellschaft sehr hilfsbereit und hat mich bei vielem unterstützt.
Insgesamt sind wir drei Schweizer Expats und mittlerweile drei amerikanische Mitarbeiter vor Ort sowie drei Verkäufer, welche verstreut in den USA wohnen. Unser Team wächst stetig. Meine Aufgaben liegen im Bereich des Operations-Managements. Dies beinhaltet die ganze Administration von Einkauf, Verkauf, Lagerbewirtschaftung, Transport und Kundenbetreuung sowie unterstützende Aufgaben in anderen Bereichen, wie z.B. der Messeplanung. Im September 2016 war dann auch unser erster Auftritt als swissQprint America auf der grössten nationalen Messe unserer Branche, der SGIA Show in Las Vegas. Nebst den Aufbauarbeiten noch eine grosse Messe zu organisieren, war eine Herausforderung. Im Vergleich zu den Messen, die ich bei einer früheren Anstellung organisieren durfte (Düsseldorf, Köln und Dubai), läuft in den USA doch einiges anders. Unser Team hat sich reingekniet und wir dürfen mit Stolz sagen, dass die SGIA-Show ein voller Erfolg war. Bereits während der Messe konnten wir Verkäufe abschliessen.
Gibt es kulturelle Unterschiede, welche Ihnen das Einleben in den USA schwierig gemacht haben?
Es gibt einige Unterschiede in der Kultur, die einem erst auffallen, wenn man einige Wochen/Monate mit amerikanischen Mitarbeitern verbringt. So entschuldigt sich ein amerikanischer Mitarbeiter eher selten, wenn etwas falsch gelaufen ist. Kritikfähigkeit ist leider auch nicht gerade deren Stärke. Die Amerikaner fühlen sich viel schneller persönlich angegriffen und fürchten dann gleich um ihren Job. Ganz anders als in der Schweiz, wo viel offener und direkter über Fehler oder Probleme gesprochen werden kann, um diese dann zukünftig zu vermeiden. In unserer Heimat hat man nicht gleich das Gefühl, man verliere deswegen seinen Job. Für diesen Unterschied in der Gesprächskultur muss man zuerst ein gewisses Fingerspitzengefühl entwickeln.
Andererseits sind amerikanische Kunden um einiges geduldiger, als ich es vor allem von Schweizer oder Deutschen Kunden kenne. Viele unserer Kunden sind positiv überrascht über den schnellen Service, den wir bieten, über die Pünktlichkeit und dass man wirklich zurückruft, wenn man darum gebeten wird. Letzteres machen die Amerikaner nämlich nur höchst selten.
Im Grossen und Ganzen sind aber die Amerikaner Fremden gegenüber sehr offen, vor allem hier im Midwest. Das macht es einfacher, ein Gespräch anzufangen. Allerdings gestaltet es sich schwieriger, richtige Freunde zu finden. Anfang Zwanzig sind die meisten Amerikaner bereits verheiratet, haben Kinder und wohnen in den Suburbs. In Downtown Chicago ist dies ganz anders, da ist aber auch die Anonymität wieder höher. Am wichtigsten ist, dass man offen gegenüber Neuem ist, keine Angst hat alleine weg zu gehen und sich anpasst. Amerikaner sind sofort neugierig zu erfahren aus welchem Land man kommt, denn der Akzent verrät einem dann eben doch etwas. Sie sind begeistert, wenn man von Europa und der Schweiz erzählt. Viele Amerikaner haben mich auch schon auf das politische System in der Schweiz angesprochen und wünschen sich dies auch für ihr eigenes Land. Mehr Transparenz, mehr Selbstbestimmung und eine grössere Auswahl an Parteien / Meinungen. Man merkt, dass diese Dinge die Amerikaner beschäftigen, speziell weil gerade Präsidentschaftswahlen waren.
Wie unterscheidet sich der Arbeitsalltag in den USA von demjenigen in der Schweiz?
Eigentlich gibt es keine extremen Unterschiede. Unsere Firma ist aber durchgehend geöffnet. Weil wir noch nicht so viele Mitarbeiter sind, müssen wir uns am Mittag jeweils organisieren, wer diese „Schicht“ übernimmt. Ansonsten ist es so, dass wir sicher immer morgens mit dem Headquarter in der Schweiz telefonieren. Wir haben sieben Stunden Zeitdifferenz, da muss man sich jeweils am Vorabend gut vorbereiten, damit man am nächsten Morgen alle Fragen mit den Kollegen in der Schweiz klären kann.
Wie haben Sie sich auf Ihren Einsatz in den USA vorbereitet?
Viele Informationen habe ich mir im Internet beschafft und damit Listen vorbereitet. Schliesslich muss man sich in der Schweiz abmelden, Wohnung kündigen, einen Teil zügeln, den Rest irgendwo einstellen bis man wiederkommt, Krankenkasse wechseln resp. ändern, Steuern abschließen, und, und, und… Ausserdem musste ich alle meine Bankkonten einer bestimmten Bank verlegen, da nur diese Bank mit den USA zusammenarbeitet. Bank- und steuertechnisch gibt es extrem viele neue Regulierungen, da ist ein Steuerberater in den USA unumgänglich.
Heutzutage gibt es im Internet aber einige sehr gute Seiten; unter anderem auch jene des Bundes. Andere Seiten wiederum haben widersprüchliche Infos – am Anfang war es ein ganz schöner Informations-Dschungel. Des Weiteren habe ich mich bei ehemaligen Expats schlau gemacht, die auch in den USA gearbeitet haben. Ein Freelancer, den wir in den USA als Service-Techniker beschäftigen, ist vor 32 Jahren für eine andere Schweizer Firma im Rheintal nach Colorado ausgewandert. Er war mir auch eine grosse Hilfe bei alltäglichen Fragen die auftreten, wenn man eine Wohnung anmieten muss, ein Auto kauft, etc.
Ausserdem werden wir auch von einigen Consulting-Firmen in den USA unterstützt, die wir durch S-GE kennen gelernt haben. Da darf man jeweils auch nachfragen, wenn man etwas Spezifisches wissen muss.
Ihre Versetzung ist zeitlich auf 3 Jahre beschränkt. Können Sie sich heute vorstellen, Ihren Aufenthalt in den USA zu verlängern?
Meine Leidenschaft ist das Reisen. Diese konnte ich in den letzten 12 Jahren beruflich wie auch privat voll ausleben. Als ich dann dieses Angebot erhalten habe, muss-te ich nicht sehr lange überlegen. Allerdings immer mit dem Gedanken, dass dieses Abenteuer zeitlich begrenzt ist. Ich würde mich selber als Globetrotterin bezeichnen, da es mir eigentlich überall in der Welt gefällt. Trotzdem ist die Schweiz meine Heimat. Wer viel auf Reisen ist weiss, wie schön es ist, nach einer tollen Reise mit vielen neuen Eindrücken und Erfahrungen nach Hause zu kommen und wie glücklich man sich schätzen darf in einem Land zu leben, das eine tolle Infrastruktur sowie eine hohe Lebensqualität bietet. Daher denke ich, dass ich nach Beendigung dieses Projekts wieder in die Schweiz zurückkehren werde. Aber es heisst ja so schön „Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu schmieden“. Somit ist alles offen. Spätestens nach vier Jahren muss ich aber ohnehin meine Koffer packen, da mein Visum ausläuft.
Haben Sie einen Ratschlag für Berufsleute, welche sich ebenfalls überlegen, ein Engagement im Ausland anzunehmen?
Wenn sich eine solche Chance bietet, sollte man zupacken. In der Regel sind solche Jobangebote rar. Man muss sich aber auch bewusst sein, dass man viel Zeit alleine verbringt, vor allem am Anfang, wenn man noch niemanden richtig kennt. Ich bin sicher, wer offen gegenüber anderen Kulturen ist und sich anpassen kann, wird eine tolle Zeit im Ausland erleben und Erfahrungen sammeln, die einem keiner mehr nehmen kann!
Start nächster Lehrgang: Montag, 23. Oktober 2017
Nächste Infoveranstaltung: Dienstag, 24. April 2018